Im Studio im Hochhaus in Berlin-Hohenschönhausen zu sehen:
Mongolische Malerei zwischen Tradition und Moderne
Es folgen: Sonntagskonzert, Talk an Teetisch und Finissage
Von Hugo Kröpelin

Der größte Raum einer Parterreetage eines Wohnhochhauses vom Typ WBS 70 ist mit 30 Personen gut gefüllt. Im "Studio im Hochhaus" Zingster Str. 25 in Berlin-Hohenschönhausen waren es mindestens 60 , als am 20. September die Ausstellung "Mongolische Malerei zwischen Tradition und Moderne" eröffnet wurde. Prominenz und Bewohner des Bezirks, der mongolische Botschafter mit starkem Gefolge aus der Landsmannschaft, Berliner Künstler und viele Bürger, die zu DDR-Zeiten in der Mongolei oder/und hierzulande mit Mongolen zu tun hatten. Letztere veranlassten Botschafter Bajarsaikhan in seiner Begrüßung zu der Feststellung, seit seine Vertretung nach Berlin umgezogen ist, verspüre er noch viel stärker den Wunsch nach einem intensiveren Kulturaustausch. Ein Kulturereignis kündigte er gleich mit an: Eine umfassende Ausstellung anlässlich des 800jährigen Jubiläums des Mongolenreichs (2006) wird im Jahre 2004 zuerst in Berlin gezeigt werden.

Die beiden Künstler vermitteln einen interessanten Einblick in die mongolische Szene. Dawaakhuu, der Viehzüchtersohn aus der tiefen Provinz des Uwurkhangai und Autodidakt, der heute mit seiner Familie in Ulaanbaatar lebt, steht für die Tradition. Aus seinen Werken erfährt man viel vom Leben der Mongolen, wie sie das Holz für die Jurte herstellen und das runde Gerüst zusammenstecken und mit Lederriemen verknoten, die aus Kamelhäuten geschnitten wurden. Wie aus Schafwolle Filz wird, dieses unverzichtbare Material für Stiefel und Jurten. Gewalkt und gerollt und zwischendurch immer wieder angefeuchtet – ein seit Jahrhunderten draußen in der Steppe erprobtes Verfahren. Oder die Arbeitsteilung in der Aratenfamilie, die Aufzucht der fünf Haupttierarten Schaf, Ziege, Rind, Pferd und Kamel, die Anordnung eines Klostersitzes und vieles andere mehr. Starke vitale und oft humoristische Darstellungen. Ob es die Augen der Kamelstuten oder die Nüstern der Pferdehengste sind - Dawaakhuu haucht den Tieren in seinen Bildern Leben ein. Ausgestellt hat er unter anderem 1989 in München und später in London. Präsident Bagabandi kaufte eines seiner Bilder und schenkte es Queen Elizabeth, die es im Buckingham-Palace aufhängen ließ.

Santschir ist der Vertreter der Moderne. Letztere bekam er schon in die Wiege gelegt: Sein Vater gehörte zu dem Dutzend mongolischer Jugendlicher, die in den 20er Jahren zum Studium nach Deutschland geschickt (nicht in die Sowjetunion!) und dafür nach ihrer Rückkehr in der schlimmsten Zeit des Stalinismus gemaßregelt wurden. Santschir studierte in der CSSR während des "Prager Frühlings", als sich Demokratie den Weg bahnen wollte und die Künstler sich außerhalb des "sozialistischen Realismus" zu profilieren begannen. Und er erlebte, wie dieser Frühling mit Waffengewalt sozialistischer Brüder wieder in einen Winter der Einparteienherrschaft und des Dogmatismus zurückgedreht wurde. Nach seiner Rückkehr von der Ausbildung in Kunsthandwerk und Design hatte er in der Küche seiner Eltern interessierte Zuhörer aus Kreisen der jungen mongolischen Intelligenz. An der Repin-Akademie in Leningrad lieferte er eine Diplomarbeit mit dem Titel "Die Völker tanzen" ab. Übel nahm ihm ein Parteikomitee der KPdSU, dass auf dem Kunstwerk das mongolische Mädchen nicht den jungen Sowjetbürger als Tanzpartner wählte. Bei den Arbeiten, die derzeit im "Studio im Hochhaus" zu sehen sind, ist man mehr als bei Dawaakhuu geneigt, zuerst auf die kleinen Schildchen mit den Titeln zu äugen: Variationen von Steppengräsern, verschiedene Darstellungen des Vogelflugs sind nicht so offensichtlich realistisch. Santschir hat sich neben seinen Ausstellungen ebenfalls im Ausland verewigt: Er besorgt das Design für die Botschaften in Tokio, Washington und New York.

Wer im "Studio" zur Eröffnung erschienen war, kam noch in einen besonderen Genuß. Als Kurator der Ausstellung fungiert Dr. Udo Haase, der beide Künstler zu seinen Freunden zählen darf und sowohl über deren Entwicklung als auch über Wandlungen der mongolischen Kunst und Kultur seit dem Abschied vom Sozialismus viel zu erzählen wusste. Als Amtsdirektor von Schönefeld (Landkreis Dahme-Spreewald) verwaltet er auch Großziethen, in dessen "Galerie EinStein" die Dawaakhuu-Santschir-Exposition vor knapp einem Jahr ihren Ausgang genommen hatte.

Doch die Mongolei wird nicht nur mit der Ausstellung (bis zum 2. November Mo-Mi 14-18 Uhr, Do 14-19 Uhr, So 14-18 Uhr / Tel. 929 38 21 - geöffnet) im Gespräch bleiben. Bereits am 1. Oktober veranstaltet Brigitte Graf im Studio ein Sonntagskonzert mit Märchen, Musik und Tänzen. Dabei liest die promovierte Mongolistin Renate Bauwe (Berlin) Märchen und Mythen. Für die Musik sorgt ein in Baden-Baden lebender mongolischer Pferdegeigenspieler. Beginn 16 Uhr.

Für Montag, den 30. Oktober, 19.30 Uhr, lädt die Studioleiterin in den SALON interWall ein. Am Teetisch können die Besucher mit Kennern und Freunden des zentralasiatischen Landes reden, in dem die Steppennomaden die größte Berufsgruppe sind und Internet-Cafes wie Pilze aus dem Boden geschossen sind. Wer mehr aus berufenem Munde erfahren möchte, findet als Gesprächspartner Dr. Tilman Müller aus der Auslandsredaktion des "stern", Dr.Udo Haase, Diplom-Mongolist, und Otfried Zielke, Maler und Grafiker aus Berlin.

Für die Finissage am 2. November , 19.30 Uhr, hat die Botschaft der Mongolei ein Videoprojekt über Land und Leute vorbereitet.

Quelle: mit freundlicher Genehmigung von Hugo Kröpelin, News Stories Photos aus Berlin und Brandenburg
(September 2000)


   

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Last Update: 03. Januar 2022