Die Deutsche Mongolei Agentur aus Ulaanbaatar präsentiert:

Neues aus der Mongolei
vom 1.-7. April 2002

von Dr. Renate Bormann, Ulaanbaatar


Bagabandi-Pressekonferenz

Präsident empfängt Medienvertreter
Die größte Überraschung war der Präsident selbst: Natsagiin Bagabandi, immer ernst dreinblickendes mongolisches Staatsoberhaupt, mitunter fast schüchtern wirkend, bewies Sinn für Humor. Mit stoischer Miene – nur seine Augen verrieten, wie amüsiert auch er war - beantwortete Bagabandi Fragen der Journalisten, die sogar ins Antlitz seiner gestrengen Pressereferentin ein Lächeln zauberten.
Am 03. April lud Bagabandi über 100 Medienvertreter und interessierte Bürger in den kleinen Konferenzsaal des Regierungspalastes, um Fragen nach der politischen und wirtschaftlichen Situation im Allgemeinen und den Aussichten der Mongolen nach mehr Wohlstand im Besonderen zu beantworten.
Immer noch im Gespräch ist der Kasjanow-Besuch in der Mongolei. Nicht nur Politiker und Geschäftsleute versprechen sich von einer engeren Zusammenarbeit mit dem nördlichen Nachbarn deutliche Verbesserungen hinsichtlich einer wirtschaftlichen Konsolidierung des Landes.
Selbstverständlich musste der Präsident auch Fragen nach dem Verhältnis seines Amtes zur Regierung beantworten. Zwischen Premier und Präsident herrscht nicht gerade ein Liebesverhältnis. „Dazu werde ich auf der Eröffnungssitzung des Parlaments ausführlich Stellung nehmen", kühl wehrte der Präsident weitere Fragen zum heiklen Thema ab.
Mit der gleichen Ernsthaftigkeit, mit der er Fragen nach der weltpolitischen Rolle der Mongolei beantwortete, ging er auf die Beschwerden einzelner Journalisten hinsichtlich überhöhter Telefonrechnungen u. ä. ein.
Im Zusammenhang mit dem geplanten Bodengesetz plädierte Bagabandi für eine Volksbefragung und ein neues Wahlgesetz dürfe nicht nur deshalb erarbeitet werden, weil das gültige den Interessen einer Partei zuwiderliefe.
Sehr emotional gestaltete sich der Auftritt eines kasachischen Bürgers, der die „ehrabschneidende und verleumderische Berichterstattung über die kasachische Minderheit in der Mongolei in einigen mongolischen Medien" beklagte.
Kein Gespräch mit mongolischen Funktionsträgern ohne dass die Probleme der extensiven Nomadenviehwirtschaft zur Sprache kommen. Nur wohlstandsverwöhnte deutsche Schriftsteller oder Menschen, deren Vorstellungen vom Nomadenleben von keiner Sachkenntnis getrübt sind, können unbegrenzt vom „einfachen Leben in der Natur und mit den Tieren" schwärmen.
Im Bayankhongor-Aimag ist die Katastrophe noch in vollem Gange: Täglich verenden Tiere, verlieren Dutzende von Familien ihre Existenzgrundlage.
Einfache Lösungen hat auch der Präsident nicht parat, das verhehlt er keineswegs. Er weiß aber, dass Viehhalter nicht ohne weiteres zu Geflügelzüchtern oder Bergarbeitern oder gar zu Computerspezialisten werden können. Zunächst käme es darauf an, wie schon seit Jahrzehnten gefordert, die Struktur und die Qualität der Herden zu verbessern, mehr Sorgfalt auf die Weidenutzung zu verwenden.
Zum Abschluss der Veranstaltung mahnte Bagabandi zum wiederholten Male eine „wahre" Berichterstattung an. Auch Politiker seien nicht vogelfrei und ein Minimum an Tatsachen sollte jeder Journalist recherchiert haben.

Frühjahrssitzungen haben begonnen
Am 05. April war auch für die Abgeordneten des Großen Staatskhurals die Winterpause vorbei.
Unter den Klängen der mongolischen Nationalhymne begannen um 10. 00 Uhr die Frühjahrssitzungen (khavryn eeljit chuulgan) des Parlaments.
Auf der Tagesordnung der ersten Sitzung standen Aussprachen über die Gesetzentwürfe zur Bildung (Allgemein-, Hochschul- und Berufsausbildung) sowie über Änderungen und Zusätze zum Sozialversicherungsgesetz.
Zunächst hielten Parlamentsvorsitzender, Präsident und Premier ihre Eröffnungsansprachen.
Bagabandi bescheinigte der Regierung guten Willen, die Ergebnisse ihrer Arbeit seien jedoch unbefriedigend. Tumur-Ochir (Parlamentsvorsitzender) forderte die Einhaltung der Wahlversprechen ein: Z. B. ließe die Reform des Finanzsystems noch viele Wünsche offen.

Welches Wahlsystem ist das beste für die Mongolei?
Seit dem Übergang der Mongolei von der zentralen Planwirtschaft zur Marktwirtschaft mit freien und geheimen Wahlen, wird um das den Mongolen am ehesten entsprechende Wahlsystem gerungen.
Seit 1992 gilt das Mehrheitswahlrecht. Politiker und Juristen sind sich einig darüber, dass das mongolische Wahlgesetz verbesserungsbedürftig sei.
Auf einer internationalen Konferenz, organisiert vom Großen Staatskhural, der Asienstiftung der Vereinten Nationen, der SOROS- und der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), wurde hauptsächlich über eine Änderung des Wahlgesetzes für das Parlament diskutiert.
Die MRVP, mit 72 von 76 Sitzen als haushoher Sieger aus den letzten Wahlen hervorgegangen, sieht keinen Grund für großartige Änderungen. Die Kleineren Parteien haben unterschiedliche Vorstellungen: Die „Neuen Sozialisten" (ein Sitz) bevorzugen das Verhältniswahlrecht. Das lehnen die meisten ab. Zu viele kleine Parteien könnten eine effektive Parlamentsarbeit erschweren. Die „Grünen" und die „Bürgermut-Republikanische Partei" sind für ein gemischtes Wahlrecht, während die „Demokratische Partei", mit zwei Parlamentssitzen stärkste Oppositionskraft, keinen eigenen Vorschlag unterbreitete.


MP Nambaryn Enkhbayar

„Enkhbayar-Regierung soll zurücktreten"
D. Dorligjav, Parteivorsitzender der „Demokraten" und in seiner eigenen Partei nicht unumstritten, forderte auf einer Pressekonferenz am 03. April Enkhbayar und seine Regierung auf, zurückzutreten: Die Regierung hätte ihre Wahlversprechen nicht gehalten, die Armut nicht abgebaut und ernste Fehler bei der Privatisierung der großen Staatsbetriebe zu verantworten. Außerdem hätte die Verwicklung von Regierungsmitgliedern in Skandale (Arbeitskräftevermittlung nach Korea, verschwundene Akten über Entwicklungshilfeprojekte u.a. – R. B.) das Ansehen der Regierung und der Mongolei geschädigt.
Auch das Entgegenkommen seitens der mongolischen Regierung bezüglich der russischen Altschulden sei nicht gerechtfertigt.
Sollte die Regierung der Rücktrittsforderung nicht nachkommen, seien Demonstrationen, Hungerstreiks und die Anwendung anderer „Kampfmethoden" geplant.

Mongolischer Premier zum Staatsbesuch nach Deutschland
Vom 21. bis 28. April wird der mongolische Ministerpräsident, Nambaryn Enkhbayar, der Bundesrepublik Deutschland einen offiziellen Staatsbesuch abstatten.
Begleitet wird er von den Ministern für Bildung, Kultur und Wissenschaft sowie Wirtschaft und Finanzen, A. Tsanjid bzw. Ch. Ulaan.
Vorgesehen sind Gespräche mit Bundeskanzler Gerhard Schröder, der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Edelgard Bulmahn und dem Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Werner Müller. Darüber hinaus trifft Enkhbayar mit den Ministerpräsidenten von Hessen und Bayern, Koch und Stoiber zusammen. U.a. sollen zwei Verträge zur Vertiefung der Zusammenarbeit auf den Gebieten Bildung und Ausbildung zwischen der Mongolei und den o.g. Bundesländern unterzeichnet werden.

Mongolisch-Deutsche Brücke e.V.
Bereits im Dezember 1999 gegründet, hat sich der Verein die Aufgabe gestellt, „über die in Deutschland erworbenen fachlichen und interkulturellen Erfahrungen als Brücke zwischen beiden Ländern zu dienen."
Die Brücke ist eine gemeinnützige Selbsthilfe- und Absolventenorganisation von in Deutschland (Ost und West) ausgebildeten Mongolen und deren Familienangehörigen.
In der Woche vom 11. bis 18. Juni dieses Jahres planen die Mitglieder der Brücke „Tage der mongolischen Deutschlandabsolventen in Ulaanbaatar: Bildung und Wissenschaft – Investition in die Zukunft".
Ziel der Veranstaltung ist es, die Absolventen deutscher Bildungseinrichtungen mit ihren Berufen vorzustellen, die in Deutschland ausgebildeten jungen Frauen und Männer zu motivieren, ihr Wissen, ihre Erfahrungen und Fähigkeiten in der Heimat anzuwenden sowie einen Beitrag für eine engere Zusammenarbeit zwischen der Mongolei und der Bundesrepublik auf dem Gebiet von Bildung und Wissenschaft zu leisten.
Bisher stehen auf dem Programm der Absolvententage im Chinggis-Khaan-Hotel: Workshops zu Themen wie: „Reintegration", „Arbeitsplatzvermittlung-Jobbörse", „Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten in Deutschland" u.a., eine Foto- und Gemäldeausstellung sowie Vorträge.
Zielgruppen des Vereins sind die mongolische Öffentlichkeit, die Regierung, staatliche und nichtstaatliche Organisationen, mongolische und deutsche Medien, Stiftungen und die Botschaft der Bundesrepublik in der Mongolei.
An jedem ersten Freitag im Monat treffen sich die Mitglieder zum „Stammtisch".
Der Abgeordnete des Großen Staatskhurals, L. Gundalai, selbst Deutschlandabsolvent, gehört zu den fördernden Mitgliedern der „Brücke" (Mongol-German Guur).
Ansprechpartner in Ulaanbaatar: Dr. Kh. Ariunchimeg, Tel./Fax: 976-11-353870, E-Mail: mdbruecke@mbox.mn.

Zwei ausgebuchte Flüge abgesagt
Die Verantwortlichen der nationalen mongolischen Fluggesellschaft „MIAT" haben die Direktfllüge zwischen Berlin und Ulaanbaatar am 23. und 27. Juni kurzfristig abgesagt.
Beide Flüge waren ausgebucht – die Touristensaison hat begonnen und der mongolische Nationalfeiertag „Naadam" am 11. Juli lockt besonders viele Besucher an.
Auf Anfrage gab eine Mitarbeiterin des MIAT-Büros in Ulaanbaatar an, die Maschine würde für Charterflüge nach Osaka benötigt. Die Passagiere bekämen in Kürze Nachricht und würden auf die Flüge davor und danach „verteilt".

Privatisierung
Für die Kaschmirfirma „Gobi" fand sich auch nach der neuerlichen Ausschreibung kein Interessent. Niemand will die Firma für 18,5 Millionen US-Dollar kaufen.
Nun plant das Komitee für Staatliches Eigentum „Gobi" von einer internationalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft neu bewerten zu lassen.
In diesem Jahr sollen ferner die staatliche Fluggesellschaft „MIAT", der Erdölimporteur „NIC", die „Mongolische Versicherung" und 15 kleinere Staatsbetriebe einer Privatisierung zugeführt werden.
Ursprünglich waren 56 Betriebe für eine Überführung in die Privatwirtschaft vorgesehen.
Immer wieder flammen Diskussionen um die Privatisierung der mongolischen Anteile von „Erdenet" auf. Bisher konnten beide Seiten noch keine Einigung über den Wunsch der Mongolei nach Erhöhung ihrer Anteile erzielen.

Enkhbayar bei den Arbeitern von „Gobi"
Der mongolische Premier informierte sich am 02. April höchstpersönlich über die aktuelle Lage beim größten Kaschmir verarbeitenden Betrieb des Landes „Gobi".
In den 70er Jahren mit Geldern der japanischen Reparationsleistungen errichtet, beschäftigt der Betrieb heute 1 800 Arbeitskräfte. 90 Prozent der Mitarbeiter sind zwischen 23 und 27 Jahren alt und verdienen monatlich 80 – 90 000 Tugrik.
„Gobi" exportiert seine Produkte (70 Arten, 1 086 Modelle) in 20 Länder der Erde.
Noch gehören 74,9 Prozent des Unternehmens dem Staat.
Im Jahre 2001 kaufte der Betrieb 726 Tonnen Rohkaschmir zu 30 Millionen Tugrik für eine Tonne. Von 100 Kilogramm Rohkaschmir können 54 Kilogramm Kaschmir gewonnen werden.
Die Volksrepublik China ist der Welt größter Kaschmirproduzent. Die Preise für Rohkaschmir werden von der Börse in Schanghai diktiert
Im vergangenen Jahr zahlte „Gobi" 748 Millionen Tugrik in den Staatshaushalt ein.
980 000 US-Dollar werden in diesem Jahr für die Anschaffung neuer Ausrüstungen ausgegeben.

Silberlagerstätte „Asgat" noch nicht in Betrieb
Die den Investoren für eine Müllbeseitigungsanlage in Ulaanbaatar in Aussicht gestellte Bürgschaft in Gestalt der Silberlagerstätte Asgat, ist nach den Worten von U. Ulambyar, stellvertretender Infrastrukturminister, noch gar nicht in Betrieb. Die Inbetriebnahme würde eine hohe Investitionssumme erfordern. Die Inbetriebnahme mit Hilfe ausländischen Kapitals zu bewerkstelligen, wäre sicher keine schlechte Sache, so der Minister weiter. Sein Kollege O. Erdene, stellvertretender Minister für Industrie und Handel, ergänzte, es wäre richtig, dass Oberbürgermeister Enkhbold die Lagerstätte als Pfand ins Gespräch gebracht hätte. Bisher sei die Angelegenheit offiziell noch nicht entschieden worden.
Asgat gehört zum russisch-mongolischen Joint Venture „Mongolrostsvetmet".
Beim Besuch des russischen Premiers in der Mongolei wurde ein Vertrag über die gemeinsame Nutzung mit der Republik Altai abgeschlossen.


Botschafterpressekonferenz

Wie viel muss die Mongolei zahlen?
Auf einer Pressekonferenz am 05. April beantworteten der Botschafter der Russischen Föderation in Ulaanbaatar, O. M. Derkovskij (2. v. l) und der mongolische Botschafter in Moskau, S. Bayar (4. v.l), Fragen nach der Regulierung der „Altschulden" der Mongolei an Russland.
In Ulaanbaatar waren Gerüchte aufgetaucht, der stellvertretende russische Finanzminister hätte in Vietnam geäußert, die mongolischen Altschulden würden annulliert bzw. stark reduziert. Botschafter Derkovskij erklärte, die Schuldenfrage würde sorgfältig geprüft, dabei die besonderen Aspekte der Schuldentstehung und die Möglichkeiten der mongolischen Wirtschaft berücksichtigt. Im Herbst, wenn MP Enkbayar in Moskau sei, werde die Schuldenregulierung vertraglich geregelt werden.

Amerikanisch-deutsches Doppel gewinnt Offene Mongolische Tennismeisterschaften
40 Spielerinnen und Spieler nahmen an den ersten offenen Tennismeisterschaften der Senioren in Ulaanbaatar teil.
Organisiert wurde der Wettbewerb vom Mongolischen Tennisverband. Außer mongolischen Tennisspielern nahmen Mitarbeiter der amerikanischen, japanischen und deutschen Botschaft, internationaler sowie koreanischer und russischer Organisationen teil.
Um den Sieg stritten jeweils Herren- und Damendoppel.
Bei den Damen siegten Michie Dinger, Ehefrau des amerikanischen Botschafters, und Regina Schröder, Ehefrau des deutschen Botschafters in der Mongolei.
Bei den Herren gewannen M. Duurenbayar (Mongolei) und Peter Hoskin (UN, Neuseeland).

Das nächste Mal erscheint „Neues aus der Mongolei" am 05. Mai 2002. R.B.


Blick auf Dulaankhan-Sum


   

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