Neues aus der Mongolei
28. Juli bis 24. August 2014

Renate Bormann, Berlin, Ulaanbaatar

Staatsbesuch von Xi Jinping in der Mongolei
Auf Einladung des mongolischen Staatspräsidenten Ts. Elbegdorj stattete sein chinesischer Amtskollege Xi Jinping der Mongolei am 21. und 22. August einen

 offiziellen Staatsbesuch ab.
Es ist der erste Besuch eines chinesischen Staatsoberhauptes im nördlichen Nachbarland seit elf Jahren.
Der Besuch steht auch im Zeichen des 65-jährigen Jubiläums der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen beiden Ländern und dem 20. Jahrestag des Abkommens über Zusammenarbeit und freundschaftliche Beziehungen.
Die Mongolei ist reich an Bodenschätzen, China der größte Abnehmer dieser Schätze und auch interessiert am Import verarbeiteter Mineralien und landwirtschaftlicher Produkte.
Gleichzeitig ist China der größte ausländische Direktinvestor sowie der wichtigste Handelspartner der Mongolei, über die Hälfte des gesamten Außenhandelsvolumens der Mongolei wird mit China abgewickelt.
Diese starke Abhängigkeit von China wird in der Mongolei mit Besorgnis gesehen und das Land versucht, durch mehr Hinwendung zum Westen ein Gegengewicht aufzubauen.
Die geografische Lage der Mongolei als Binnenland zwischen Russland und China setze jedoch ein gutes, vertrauensvolles Verhältnis zu den beiden unmittelbaren Nachbarn unseres Landes voraus, betont Elbegdorj in diesem Zusammenhang.
China unterstützt die Mongolei bei der Verbesserung des grenzüberschreitenden Verkehrs sowie beim Ausbau der Infrastruktur.
Ein Problem dabei sind die unterschiedlichen Eisenbahnspurweiten in beiden Ländern, was ein zeit- und kostenintensives Umladen an den Grenzen zur Folge hat.
An den bestehenden gemeinsamen Spurweiten mit Russland wird sich zwar nichts ändern, aber schon längst wird diskutiert, beim Bau der neuen Strecken auf die in China und den meisten anderen Ländern üblichen Spurweiten umzustellen. Das letzte Wort in dieser Frage habe allerdings die Große Staatsversammlung.
Beide Staatschefs unterzeichneten eine gemeinsame Erklärung über die Etablierung einer umfassenden strategischen Partnerschaft, Souveränität, Sicherheit und territoriale Integrität des jeweils anderen nicht in Frage zu stellen.
Die Mongolei unterstützt China in den Fragen bezüglich Taiwan, Tibet und Xinjiang.
Weitere Abkommen, insgesamt 20, wurden für die Bereiche Verkehr, Transport, Bergbau, Energie, Finanzen und Kultur unterzeichnet.

Arbeitsbesuch von D. Terbishdagva in Deutschland
Vom 10. bis zum 14. August absolvierte der stellvertretende Ministerpräsident und Vorsitzende der mongolisch-deutschen Regierungskommission D. Terbishdagva einen Arbeitsbesuch in Deutschland.
Im Gespräch mit dem Vizekanzler und Minister für Wirtschaft und Energie, Sigmar Gabriel, betonten beide Seiten den hohen Stand der mongolisch-deutschen Zusammenarbeit, Terbishdagva wies zum wiederholten Mal darauf hin, dass Deutschland der wichtigste Partner der Mongolei in Europa sei.
Am 24. Oktober dieses Jahres werde die gemeinsame Arbeitsgruppe Bergbau, Industrie und Technologie beider Regierungen in Berlin zu ihrer dritten Tagung zusammenkommen, um über Fortschritte bei der Umsetzung der Vereinbarung über die Zusammenarbeit in diesem Bereich zu referieren.
Außer mit Gabriel traf sich Terbishdagva mit dem Finanzchef der Deutschen Bahn AG R. Lutz, mit dem Direktor der deutsch-osteuropäischen Wirtschaftskommission R. Lindner sowie mit dem Direktor von „RAG Mining Solution" Prof. M. Junker zu Gesprächen über die Vertiefung der Zusammenarbeit.

Französische Stipendien für mongolische Studenten
Auf Einladung des mongolischen Außenministers L. Bold hatte dessen französischer Amtskollege der Mongolei im Oktober 2013 einen offiziellen Besuch abgestattet.
Bei dieser Gelegenheit vereinbarten beide Seiten eine engere Zusammenarbeit in Wissenschaft, Bildung und Kultur.
Die Vereinbarung, zehn mongolischen Studenten ein Studium bzw. die Promotion in Frankreich zu ermöglichen, trat im August dieses Jahres in Kraft.
Danach werden vier Mongolen ein Promotionsstudium, vier ein Magisterstudium und zwei ein Bachelor-Studium in Archäologie, Hydrologie, Ingenieurwissenschaften, Ökonomie, Rechtswissenschaften, Landwirtschaft, Tourismus und Kommunikation an französischen Hochschulen aufnehmen.

Unterrichtsjahr 2014/15
Zwischen dem 25. und 29. August können Eltern ihre Kinder in den 195 Kindergärten Ulaanbaatars anmelden.
Mit Hilfe der Weltbank nehmen 17 Kindergärten, in denen 100 Kinder aufgenommen werden können, ihre Arbeit auf.
So steht für 75 Prozent aller zwei- bis fünfjährigen Kinder ab diesem Jahr ein Kindergartenplatz zur Verfügung.
Die Kosten in den privaten Kindergärten betragen monatlich 100 000 bis 400 000 Tugrug.

Soll der Unterricht an den Unis und Hochschulen später beginnen?
Am 01. September beginnt landesweit und an allen Bildungseinrichtungen vom Kindergarten bis zur Universität gleichzeitig das neue Unterrichtsjahr.
Ulaanbaatar, wo naturgemäß die Dichte an Hochschulen am größten ist, hat seit Mitte August mit dem Zustrom der Studenten aus den Aimags (90 000 von 140 000) und den zurückkehrenden Urlaubern zu kämpfen. Außerdem steige von Jahr zu Jahr im Herbst die Zahl derer, die es in die „Stadt" (Ulaanbaatar) ziehe.
Die ohnehin stark frequentierten Verkehrswege werden zusätzlich verstopft, zudem werden die Straßenreparaturarbeiter wieder aufgenommen, die Wintervorbereitungen beginnen …
Die Preise für Waren des täglichen Bedarfs stiegen, die Alten fänden kaum noch freie Sitzplätze im Freien.
Beobachter stellen die Frage, ob wirklich das Schuljahr für alle gleichzeitig beginnen muss? Wäre es nicht besser, den Beginn des Ausbildungsjahres an den Universitäten und Hochschulen in Ulaanbaatar auf einen späteren Zeitpunkt zu verlegen?


Treffpunkt Chinggis-Denkmal. V. l. Ganzul, Dulamjav, Erik, Marion, Otgonsuren, Gantsteseg, Munkhoo, Otto, Marlen, Bayarmaa, Heidi, Jan, Holger

„Das richtige mongolische Kind"
Ein Schwerpunkt im Programm der Innovationsregierung unter N. Altankhuyag ist die Reform des Bildungswesens in der Mongolei.
„Die Inhalte der traditionellen Bildung müssen verändert, die Qualität erhöht werden."
Jedes Kind sollte in unserer globalisierten Zeit Botschafter für mongolische Werte und Traditionen sein können.
Der Minister für Bildung und Wissenschaft L. Gantumur weist auf die Notwendigkeit hin, jedem Kind den Zugang zu Bildung zu ermöglichen, Selbstbewusstsein und Selbstbestimmung jedes einzelnen Kindes zu stärken, es zu ermuntern, seine Stärken und Begabungen zu entdecken sowie alle Voraussetzungen zu schaffen, diese entwickeln zu können.
Für das Erreichen dieser Ziele seien eine verbesserte Ausbildung der Lehrer aller Bildungsstufen sowie deren ständige Weiterbildung unverzichtbar.
Im August 2013 wurde das Reformprogramm „Der gebildete Mongole" ergänzt durch das nationale Programm „Das richtige mongolische Kind".
Zu diesem Programm gehören drei Unterprogramme: „Reform der Vorschul-, Grundschul- und Mittelschulbildung", „Talent" und „Buch".
Bei der Umsetzung der anspruchsvollen Programme strebt die Mongolei die Zusammenarbeit mit anderen Ländern an, u. a. mit Finnland, Japan, Südkorea, Russland und auch mit Deutschland.
Seit 2013 gehört die Schule der Künste e. V. Schwerin zu den Partnern bei der Verwirklichung des Unterprogramms „Talent".
Jedes Kind habe besondere Begabungen und Talente, Fähigkeiten und Fertigkeiten, die es zu fördern gelte. Dies wiederrum setze fachlich gut ausgebildete Lehrer und Lehrerinnen voraus, die sich ihrer Verantwortung für ihre Schüler bewusst seien.
Jedem Kind sollten Erfolgserlebnisse ermöglicht werden.
Dazu beitragen könne eine enge Zusammenarbeit zwischen Lehrern, Eltern, der Öffentlichkeit sowie den Medien.
Nach ersten Fachkräftetreffen im April und August 2013 in Schwerin und Ulaanbaatar wurde der Austausch von deutschen und mongolischen Fachkräften in der schulischen und außerschulischen kulturellen Bildung im Mai bzw. August dieses Jahres fortgesetzt.


Begrüßung vor Murun

Neun Theaterpädagogen, Mediengestalter, Wissenschaftler und Künstler aus Schwerin, Rostock, Neubrandenburg, Witten und Berlin reisten nach Ulaanbaatar, von dort weiter über den Ulziit-Sum im Arkhangai-Aimag, über Murun, dem Zentrum des Khuvsgul-Aimags an die Westküste des Khuvsgul-Sees1 im Norden der Mongolei.
Schon die Fahrt im Reisebus über 840 km glich einem Abenteuer, steile Abfahrten, Flussdurchquerungen und die Herausforderungen des mongolischen Landlebens stellten die Deutschen doch das eine oder andere Mal vor Probleme, die sie jedoch bravourös gemeistert haben.
Zu den vielen unvergesslichen Erlebnissen zählt sicher der Aufenthalt im Sommerlager der Viehhalterfamilie Purevsuren im Baishir-Bag des Ulziit-Sums. Die Gäste halfen beim Aufbau einer der beiden Gästegers, verfolgten das Schlachten eines Hammels, sahen u. a. beim Melken und Zubereiten von Khorkhog (Schaf in der Kanne), von Nermeliin Arkhi (selbstgebrannter Schnaps), Airag und Sahne zu und kosteten von allem ausgiebig.
Der Tradition folgend, wurden die Gäste an den Sum- und Aimaggrenzen von örtlichen Abordnungen der jeweiligen Bildungsämter mit Milch, Airag und mongolischen Käsespezialitäten empfangen und bewirtet, ehe sie ihr „Sommerlager" direkt am Ufer des Khuvsgul-See erreichten.
Zu den Workshops (Theater, bildende Kunst und Musik) hatten sich mit 120 Teilnehmern – Lehrerinnen, ein Lehrer, Kindergärtnerinnen und Schüler allgemeinbildender Schulen aus Murun und den umliegenden Sums - unerwartet viele Interessenten gemeldet.
Sowohl die Mongolen als auch die Deutschen wurden mit kulturellen Besonderheiten des jeweils anderen konfrontiert, tauschten Erfahrungen aus und stellten fest, „in manchen Dingen unterscheiden wir uns gar nicht so sehr."
Zum Abschluss des arbeitsreichen Projekttages präsentierten Schüler, Kindergartenkinder und Lehrer ein Folkloreprogramm mit Musik, Tanz und Gesang, das nicht unbedingt auf die ungeteilte Zustimmung der deutschen Fachkräfte stieß. „Was kann man einem Kind in welchem Alter zutrauen und vor allem zumuten?"
Nur, was dem Kind selbst Freude macht, was es selbst will.
Zur Unterhaltung von Eltern und anderen Erwachsenen beizutragen, gehört nicht zu den Aufgaben der Kinder, sollte es auch noch „so niedlich" anzusehen sein.
Eine Ausstellung mit Arbeiten der Kindergärtnerinnen und ihrer Schutzbefohlenen – Zeichnungen, Collagen, selbst genähte Trachten der verschiedenen Nationalitäten, Chroniken, Fotos- ergänzte das umfangreiche Programm der Workshoptage am Khuvsgul, die mit einem Lagerfeuer und Tanz zu Diskomusik zu Ende gingen.
Auf dem Flugplatz in Murun wurden die deutschen Gäste feierlich vom Vorsitzenden des Bildungsamtes des Khuvsgul-Aimags verabschiedet, ehe sie nach reibungslosem Flug in Ulaanbaatar eintrafen.
Hier standen Treffen und Gespräche sowie Theaterworkshops in der New Era Laboratory School (staatliches Gymnasium), in der Universität für Kunst und Kultur, im 2012 gegründeten Institut für Lehrerfortbildung und ein Besuch im Puppentheater auf dem Programm.
Am vorletzten Tag waren Prof. Marion Küster (Hochschule für Musik und Theater Rostock), H. Reschke, Erik Raab (arthus Rostock), Jan Pienkniewski (NDR Hamburg) und Munkhtogoo Gehrke (Theaterpädagogin und Dolmetscherin) die Stars einer Gesprächsrunde über kulturelle Bildung im Nationalen Mongolischen Fernsehen.
„Wir hätten uns noch mehr Gespräche zur Auswertung z. B. der Workshops oder der Präsentationen gewünscht".
Jetzt freuen wir uns auf die Fortsetzung unserer Zusammenarbeit und danken unseren mongolischen Freunden für ihre außerordentliche Gastfreundschaft, ihre Herzlichkeit, Anregungen und die Anstrengungen, (zumal in der Ferienzeit) erfolgreiche Fachkräftetage organisiert zu haben", erklärte der Leiter der deutschen Delegation, Holger Reschke, künstlerischer Leiter und Geschäftsführer der Schule der Künste Schwerin am letzten Abend vor der Heimreise.


Abschied. V. l. M. Gehrke, L. Otgonsuren, Leiter Programm Talent, H. Reschke

1 Der Khuvsgul-See, von den Mongolen auch als „Blaue Perle" bezeichnet, ist mit 2 612 km2 Fläche, einer Länge von 134 und einer Breite von 39 km der größte Süßwassersee der Mongolei.
Im See liegen vier Inseln, die größte ist „Der hölzerne Nabel des Ozeans". Von Ende November bis Anfang Juni ist der See zugefroren.

2. Mongolische Woche in Dortmund
Auf dem Programm der Zweiten Mongolischen Woche an der TU Dortmund vom 21. bis zum 26. August stehen Vorträge, Lesungen, Konzerte und Filmvorführungen.
Eröffnet wurden die Veranstaltungen durch die mongolische Schriftstellerin Dr. Gangamaa Purevdorj, die ihre Präsentation von Liedern, Lesungen und Vorträgen unter das Motto „Die ferne Mongolei – ganz nah" gestellt hat.
Im „Konzert der Begegnungen" am 24. August trifft traditionelle mongolische Musik auf europäische Klassik.
Die Solistin Frauke Hansen (Klarinette) musiziert gemeinsam mit Chinbat Orkhonbaatar, Solist am Nationalen Musik- und Tanzensemble der Mongolei, dem Amadeus-Kammerorchester Dortmund unter Leitung von Felix Reimann sowie der mongolischen Musikgruppe „Egshiglen".
Gerelsukh Otgon zeigte seinen Film über einen Musiklehrer „Ich bin Mongole".
Dr. Alimaa Senderjav, Dr. Paula Haas und Herr Toddavaa Damdinsuren vom Institut für Orient- und Asienwissenschaften der Uni Bonn sprechen am 25. August über „Mongolei im Wandel".
Veranstalter der Zweiten Mongolischen Woche in Dortmund sind das Amadeus-Kammerorchester, der Theater- und Konzertfreunde Dortmund e.V., die Auslandsgesellschaft NRW e.V., das Kulturbüro Dortmund sowie die TU Dortmund.

Für mehr Infos und Fotos zum Fachkräfteaustausch sh. www.sdkev.de R. B.

Fotos, wenn nichts anderes vermerkt Renate Bormann

 


   

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