Neues aus der Mongolei
4. bis 10. April 2016

Renate Bormann, Berlin, Ulaanbaatar


Mongolei Ende April

Eröffnung der Frühjahrssitzungen 2016
Am 05. April, 09:25 Uhr, begann die Frühjahrssitzungsperiode der Großen Staatsversammlung.
Es wird die letzte Sitzung der laufenden Legislaturperiode sein.
52,6 Prozent der 76 Abgeordneten waren anwesend.
In seiner Eröffnungsrede ging der Vorsitzende Z. Enkhbold ausführlich auf die Kritik der oppositionellen MVP am „Stopp" für den Tavantolgoivertrag ein.
Die Annullierung dieses Vertrages läge jetzt ein Jahr zurück und wäre die einzige richtige Entscheidung gewesen.
Mongolische Interessen seien bei den Vertragsverhandlungen nicht berücksichtigt worden. Im Gegenteil.
Die eingesetzte Arbeitsgruppe zur Überprüfung des Vertrages habe festgestellt, dass die beiden mongolischen Investoren, „Energy Resources LLC" und „MMC" (Mongolian Mining Corporation) nicht über die nötigen finanziellen Mittel für die nötigen Investitionen verfügten, sondern hohe Schulden bei ausländischen Banken und Firmen zu verantworten hätten.
Diese Firmen hätten vor kurzem Insolvenz angemeldet.
Die Kohlemine Tavantolgoi dürfte nicht zur Schuldentilgung privater Firmen missbraucht werden, sie werde „im Interesse des Staates und des Volkes" gemanagt werden.
Enkhbold gab ferner die die aktuelle Staatsverschuldung mit 20 Milliarden USD an.
Seit 2008 hätten die jeweiligen Regierungsparteien MVP und DP Staatsschulden in je gleicher Höhe hinterlassen.
Unter den MVP-Ministerpräsidenten S. Bayar und S. Batbold (bis 2012) sowie den DP-Regierungschefs N. Altankhuyag und Ch. Saikhanbileg (bis 2016) seien je zehn Milliarden USD an Krediten aufgenommen worden.
Übermäßig dramatisch seien diese Zahlen nicht zu werten, vorausgesetzt, die wirtschaftliche Entwicklung nähme wieder Fahrt auf.
In den vergangenen vier Jahren sei der größte Teil der Staatsanleihen in die Entwicklung der Infrastruktur, der Landwirtschaft und der nationalen Industrieproduktion geflossen.
Eine verfehlte Sozialpolitik führte zum Ansteigen der Arbeitslosigkeit, wohingegen z. B. günstige Kreditzinsen für die Bevölkerung Arbeitsanreize schaffen würden.
Zudem müsste die Landwirtschaft als wichtiger Zweig der mongolischen Wirtschaft gefördert werden.
Außer Präsident Ts. Elbegdorj nahmen an der Eröffnungssitzung am 05. April, Vertreter des diplomatischen Korps, der Regierung, internationaler Organisationen und von Regierungsbehörden teil.

Politbarometer März 2016
Die „Sant Maral" – Stiftung hat die Ergebnisse ihrer Erhebungen zur sozialen und politischen Lage in der Mongolei veröffentlicht.
Wegen der Bestimmungen im veränderten Wahlgesetz sind Fragen zur Wertung von Personen und zum Wahlverhalten nicht gestellt worden.
Die Befragungen (befragt worden sind 1.500 Personen) erfolgten zwischen dem 11. und 31. März 2016 in den Aimags Khovd, Bulgan, Uvurkhangai, Selenge, Sukhbaatar, Dundgov‘ und in Ulaanbaatar.
Die Lösung der dringendsten Probleme (Arbeitslosigkeit, Verbesserung Lebensstandard) trauen 17,9 Prozent auf dem Land am ehesten der MVP, 11,2 Prozent der DP und 6,2 Prozent der MRVP zu.
In Ulaanbaatar: MVP 10,3, DP 10,9, MRVP 7,5 Prozent, landesweit: MVP 14,6, DP 11,1, MRVP 6,8 Prozent.
Als größte Erfolge der Regierung werten die meisten die Entwicklung der Infrastruktur, als größte Misserfolge das weitere Ansteigen der Arbeitslosigkeit.
Auf dem Land bevorzugten 50,8 Prozent ein Präsidialsystem, 17,2 Prozent ein parlamentarisches System und 21,2 das aktuelle halbparlamentarische System mit einem einflussreichen Präsidenten.
In Ulaanbaatar sind 49,9 Prozent für eine Präsidialordnung, für das parlamentarische System 16,5 Prozent und für die aktuelle politische Ordnung 21,2 Prozent.
Als bestes Partnerland für die Mongolei (Möglichkeit der Zweifachnennung) sehen 61,1 Prozent Russland, 6,8 Prozent die USA, 6,3 Prozent Japan und 4,0 Prozent die EU.
Auch bei direkter Wertung liegt Russland mit 81,4 Prozent weit vor dem zweitbesten Partner China mit 26,2 Prozent.
Für 19,6 Prozent ist Japan der am meisten geeignete Partner für die Mongolei, Südkorea für 11,2 Prozent und die EU für 10,7 Prozent.
Das gesamte Politbarometer können Sie unter http://www.santmaral.mn/ oder unter
http://www.santmaral.mn/en/publications/politbarometer-march-2016


Ministerpräsident Ch. Saikhanbileg Foto PA d. Reg.

Ministerpräsident kündigt Rede an
Am 15. April will Ministerpräsident Ch. Saikhanbileg auf der Sitzung der Staatsversammlung ausführlich zu den Auslandschulden der Regierung Stellung nehmen.
Bezüglich der Höhe der Auslandsverschuldung ist zwischen der MVP und der Regierung ein Streit entbrannt.
Die MVP verbreitete die Info, dass die Gesamtschulden des Staates 21,6 Milliarden USD erreicht hätten, 15 Millionen Tugrug für jeden Mongolen.
Saikhanbileg entgegnete, die MVP-Regierung hätte Auslandschulden in Höhe von 11,3 Milliarden USD, die DP-Regierung von 9,9 Milliarden angehäuft.

Was sind Auslandsschulden?
Im Zusammenhang mit den Diskussionen um die Auslandsschulden der Mongolei stellte der Leiter der Abteilung Forschung und Statistik der Mongolbank (mongolische Staatsbank) B. Batsuren klar, dass der Begriff „Auslandsschulden" in fünf Segmente eingeteilt wird: Schulden der Regierung, Schulden der Handelsbanken, Schulden der Zentralbank, des privaten und staatlichen Wirtschaftssektors sowie Direktinvestitionen.
Danach hätten die Auslandsschulden der Regierung 2015 3,6 Milliarden USD betragen.

Russischer Außenminister zu Gast in der Mongolei
Auf Einladung seines mongolischen Amtskollegen L. Purevsuren wird der russische Außenminister Sergei V. Lawrow am 14. April der Mongolei einen offiziellen Besuch abstatten.
Außer Gesprächen zwischen den beiden Ministern, wird der russische Gast von Präsident Ts. Elbegdorj und von Regierungschef Saikhanbileg empfangen werden.

„Stunde des Ministers"
Verkehrsminister M. Zorigt hat im Pressegespräch ausführlich zu Ergebnissen der Infrastrukturpolitik der Regierung Stellung genommen.
Die Bauarbeiten am neuen internationalen Flugplatz im Khushgiin Tal im Zentralaimag sollen bis Januar 2017 abgeschlossen sein, im Mai 2017 soll der Flugplatz seinen Betrieb aufnehmen.
Die Preise für Flüge mit einer Boeing nach Khovd und mit der Fokker-50 nach Bayan-Ulgii und Zavkhan wurden ab April um 40 Prozent reduziert, der Service zudem verbessert.
Noch vor Naadam sollen die befestigten Pisten einschließlich eines Schutzwalls zur Abwehr von Unwettern auf den Flugplätzen in Gobi-Altai und in Zavkhan fertiggestellt werden.
33,4 km der Eisenbahnstrecke zwischen Tumurtei und Khandgait werden von mongolischen Firmen errichtet.
Der Bau der Strecke zwischen Tavantolgoi und Gashuunsukhait soll noch in diesem Frühjahr beginnen.
Die Vertragsverhandlungen zwischen Russland, China und der Mongolei über eine Autobahn durch alle drei Länder seien abgeschlossen.
Geplant sei, dass am 18. April landesweit die Bauarbeiten an der in 30 Richtungen führenden 3.203 km langen Autobahnstrecke sowie an einer 1.346 m langen Eisenbetonbrücke beginnen.
Auf die Frage der Journalisten nach den jahrelang geführten Auseinandersetzungen um die richtige Spurweite der Eisenbahnschienen und seine Einstellung zur Entscheidung für die Schmalspur, erwiderte der Minister, für diese Frage seien weder er noch das Verkehrssystem zuständig.
Diese Entscheidung hätte Staatsversammlung getroffen.

Aus den Ausschusssitzungen
Eine Mehrheit der Mitglieder im Ausschuss „Regierungsaufbau" stimmte für Änderungen und Zusätze am „Gesetz über die Regierung".
Initiiert von Präsident Elbegdorj sollen zukünftig nur noch der Ministerpräsident, der Außenminister, der Justizminister und der Finanzminister von der Staatsversammlung ernannt werden.
Die Kosten für die Wahlen zur Großen Staatsversammlung, zu den Aimagbürgerversammlungen und zur Ulaanbaatar-Stadtverordnetenversammlung 2016 dürfen 16,4 Milliarden Tugrug nicht überschreiten.
Im Ausschuss „Sozialpolitik, Bildung, Kultur und Wissenschaft" begannen die Diskussionen zum „Gesetz über den Staatsdienst".
Die Ergebnisse wurden an den Ausschuss „Regierungsaufbau" weitergeleitet.
Nach Angaben seitens des Leiters des Rates für den Staatsdienst B. Tsogoo arbeiteten 186.000 Menschen im Staatsdienst, 2.800 mehr als 2015.


Retten wir die Mongolei Foto theubpost.mn-tag-mongoloo-avarya-ongoloo-avarya-

„Retten wir die Mongolei"
Die Bürgerbewegung „Lasst uns die Mongolei retten" hat am 04. April eine Protestkundgebung auf dem „Platz der Unabhängigkeit" vor dem ehemaligen Leninmuseum organisiert.
Auf Transparenten wurden die Regierenden aufgefordert, drei Fragen zu beantworten, darunter „Wann kommt der Tag, an dem die Bürger in der Mongolei menschenwürdig leben können?".
Nach der Kundgebung zogen die Teilnehmer, angeführt vom Vorsitzenden der Bewegung B. Gankhuyag zum Regierungspalast.
Hier wiederholten sie ihre Forderungen und forderten zudem den Vorsitzenden der Großen Staatsversammlung Z. Enkhbold zum freiwilligen Rücktritt auf.
Der Leiter des Büros der Staatsversammlung Amarjargal nahm das Schreiben entgegen und versprach bis zum 11. April eine Antwort.
Wenige Tage später wurde die Protestaktion vor dem Denkmal für die Opfer politischer Verfolgungen fortgesetzt.
Diesmal waren die Kundgebungsteilnehmer mit Zelten erschienen und wiederholten ihre Kritik an der hohen Staatsverschuldung und der Zunahme der Arbeitslosigkeit.

Kampf um staatliche Mietwohnungen
350 Familien in Ulaanbaatar haben das Recht auf eine staatliche Mietwohnung.
Die Registrierung für das Regierungsprogramm war am vergangenen Freitag beendet worden.
Fünf Prozent oder 17 Wohnungen davon seien für Menschen mit Behinderungen reserviert.
Dies reiche nicht aus. Es müssten mindestens 70 sein.
In der Mongolei lebten 108.100 Menschen mit Behinderungen, davon 30.000 in Ulaanbaatar.

Parteienbündnis gegründet
Das Mitglied der Großen Staatsversammlung S. Ganbaatar, erst vor kurzem zum Vorsitzenden der Arbeitspartei gewählt, hat diesen Posten bereits wieder geräumt.
Er steht an der Spitze eines Bündnisses von Parteien, das gemeinsam an den Wahlen zur Großen Staatsversammlung teilnehmen möchte.
Arbeitspartei, Traditionspartei, Grüne Partei, Republikanische Partei, insgesamt elf Parteien haben sich in diesem Bündnis zusammengeschlossen, „um gegen die Machthaber, Staatslügner und -diebe zu kämpfen".

Verhaftung des Personenschützers von N. Enkhbayar
Der Vorsitzende der MRVP Nambaryn Enkhbayar ist am 25. März nach Südkorea gereist, obwohl die Antikorruptionskommission ihn mehrmals vergeblich vorgeladen hatte.
Am 01. April verhaftete die Antikorruptionskommission den Personenschützer Enkhbayars M. Munkuu und überführte ihn umgehend in das Gefängnis im Zentralaimag.
Wie bereits in den Fällen der inhaftierten MRVP-Funktionäre Shiilegdamba und P. Tsogtbaatar wurde Parteifreunden ein Treffen mit den Verhafteten verweigert.
Die MRVP fordert ein Ende der politischen Verfolgung ihres Führungspersonals.
Damit solle die Teilnahme an den Wahlen verhindert werden.
Es wiederholte sich das Vorgehen der Machthaber von 2012.

Internationales Forschungsprojekt
Am 07. und 08. April trafen sich etwa 20 Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen auf einer internationalen Konferenz zum Thema: „Mobilität und Immobilität in der Mongolei" an der Georg-August-Universität Göttingen.
Die Teilnehmer stellten ihre bisherigen Forschungsergebnisse zum gesellschaftspolitischen Wandel in der Mongolei vor.
Die Konferenz ist Teil eines internationalen Forschungsprojekts, an dem die Staats- und Unibibliothek sowie das Seminar für Turkologie und Zentralasienkunde der Uni Göttingen, die Universitäten Bern, Bonn und München und das Max-Planck-Institut für ethnologische Forschungen in Halle beteiligt sind.
In den kommenden zwei Jahren werden die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen den gesellschaftlichen Wandel in der Mongolei unter ethnologischen, philologischen und religionswissenschaftlichen Aspekten untersuchen.
Das Ministerium für Bildung, Kultur und Wissenschaft der Mongolei wird das Vorhaben finanziell unterstützen.
Für mehr Informationen sh. auch: https://www.uni-goettingen.de/de/mongolei/536542.html.

 

„Neues aus der Mongolei" können Sie wieder ab dem 01. Mai lesen. R. B.

 

 

 

 

Fotos, wenn nichts anderes vermerkt, Renate Bormann


 

   

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