Die Deutsche Mongolei Agentur aus Ulaanbaatar präsentiert:
von Dr. Renate
Bormann,
Berlin, Ulaanbaatar
(© Text & Fotos)
B. Davaadorj im Konferenzraum der
mongolischen Botschaft in Berlin. 23.03. 2011
Im November 2009, an einem
trüben Herbsttag, stellte sich der damals gerade berufene mongolische
Botschafter in Deutschland B. Davaadorj zum ersten Mal den Fragen von
MongoleiOnline. Unzählige Interviews für deutsche und internationale Medien
später haben wir uns erneut verabredet, um über die Mongolei im Strukturwandel,
erfüllte oder enttäuschte Erwartungen, Hoffnungen und Wünsche zu sprechen.
Der 23. März ist ein sonniger Frühlingstag, im Botschaftsgarten und im
benachbarten Kindergarten spielen die Kinder draußen.
Der Botschafter kehrt gerade vom Flughafen in Tegel zurück in seine Amtsräume.
Zwei Minister, der für Verteidigung und der für Mineralische Rohstoffe und
Energie, L. Bold und D. Zorigt, wollten empfangen und über die Lage in
Deutschland kundig informiert werden.
MO: Herr Botschafter, Sie können sicher nicht über Langeweile klagen, die letzten Wochen haben Sie und Ihre Botschaftskollegen jedoch in besonderem Maße gefordert?
D.: Abgesehen von
den entsetzlichen Naturkatastrophen in Japan, über deren Auswirkungen heute noch
niemand eine verlässliche Aussage treffen kann und die politischen Umbrüche, die
sich in Nordafrika und im Nahen Osten zu vollziehen scheinen und die die
Regierungen in aller Welt beschäftigen, liegt hinter uns eine anstrengende, aber
auch beglückende Zeit.
Das Jahr 2010 war für mich eines der wichtigsten in Deutschland.
In sehr vielen Gesprächen auf Regierungsebene, mit Unternehmensführern und mit
Bürgern in Berlin und in den Bundesländern hatte ich Gelegenheit, die Vorteile
der Mongolei darzulegen, die Gesprächspartner von den Möglichkeiten zu
überzeugen, die ein wirtschaftliches Engagement in der Mongolei für alle Seiten
bietet, damit die umfassenden Partnerschaftsbeziehungen zwischen unseren beiden
Ländern mit wichtigen Inhalten gefüllt und mit Leben erfüllt werden.
Dabei stellte ich fest, dass Interesse ist deutlich gestiegen.
MO: Herr Davaadorj,
die Mongolei ist geographisch, politisch und menschlich auch eng mit Japan
verbunden.
Im tausende Kilometer entfernten Deutschland haben die Ereignisse in Japan ein
politisches Erdbeben ausgelöst.
Wie ist Ihre Meinung dazu?
D.: Wir sind alle sehr besorgt und fühlen mit den Menschen in Japan. Ganz schnell entwickelten sich landesweite Aktivitäten, dem geschundenen Land zu helfen. Unsere Beiträge mögen bescheiden sein, aber sie sind uns ein Bedürfnis. Japan hat wie Deutschland vom Beginn des Transformationsprozesses an unserer Seite gestanden.
MO: In Ulaanbaatar geben sich mittlerweile hohe deutsche Staatsbeamte die Klinke in die Hand. Erfüllt Sie das mit Genugtuung?
D.: Drei
Bundesminister, drei Staatssekretäre und ein halbes Dutzend Abgeordnete des
Bundestages haben innerhalb weniger Wochen der Mongolei offizielle Besuche
abgestattet. Im Gegenzug weilten sechs mongolische Minister, darunter der
Außenminister, zu Gast in Deutschland.
Natürlich ist es immer ein Zeichen von Wertschätzung, wenn hohe ausländische
Gäste unser Land besuchen.
MO: Welche Ziele verfolgen Sie mit Ihrer Arbeit?
Die Mongolei ist
ein sich sehr dynamisch entwickelndes Land.
Natürlich spielt ihr gigantischer Rohstoffreichtum dabei eine Rolle und der
Rohstoffhunger der Industriemächte.
Ich habe jahrelang in Deutschland gelebt und gearbeitet und bin
selbstverständlich besonders daran interessiert, dass Deutschland dabei ist,
wenn die Mongolei den Sprung vom Entwicklungsland zum Industrieland wagt.
Die deutsche Wirtschaft verfügt über modernste Technologien und die
umweltschonendste Technik. Rekultivierung aufgelassener Flächen wird in Zukunft
immer wichtiger.
Nicht oft genug kann betont werden, wir wollen nicht zum bloßen
Rohstofflieferanten werden, sondern zum zuverlässigen Produzenten von
Halbfabrikaten und Fertigprodukten. In der Mongolei selbst muss eine
Wertschöpfungskette entstehen.
Dabei sind uns deutsche Firmen sehr willkommen. Deutsches Know how, deutsche
Managementerfahrungen genießen bei uns einen hohen Stellenwert.
MO: Seit Jahren
wird in der Mongolei über ein neues Wahlsystem debattiert.
Welches System würden Sie bevorzugen? Was halten Sie von der Großen Koalition?
D.: Eindeutig das
Verhältniswahlrecht. Unter den Bedingungen des Mehrheitswahlrechts sind die
Abgeordneten zu sehr auf ihre Wahlkreise konzentriert. Die Interessen des Landes
geraten in den Hintergrund. Die Abgeordneten müssten sich (bei Wahlen nach dem
Verhältniswahlrecht) vor den Wahlen offener zeigen und mit mehr Mut und Elan zu
ihren Überzeugungen stehen.
Außerdem: 120 000 Auslandsmongolen müssen das Recht erhalten, ihre Stimme bei
Wahlen in der Mongolei abgeben zu können, um ihre Interessen zu artikulieren und
um in der Heimat besser integriert zu sein.
Die Große Koalition hat uns eine stabile Regierung beschert. Sie zu bilden, war
eine gute Entscheidung.
MO: Eine Frage nach dem in London aufgrund eines europäischen Haftbefehls festgenommenen hohen mongolischen Beamten B. Khurts haben Sie sicher erwartet?
D.: In Ulaanbaatar, während
unserer Botschafterkonferenz, bin ich fortlaufend danach gefragt worden.
Diese Frage wird für mich jedoch wirklich relevant, sobald Herr Khurts in Berlin
eingetroffen ist.
Und selbstverständlich werde ich dann alles tun, meinem Landsmann zur Seite zu
stehen.
Doch noch gehe ich davon aus, dass er in Kürze in die Mongolei ausfliegen kann,
der Auslieferungsantrag gegenstandslos wird.
MO: Sie kennen Deutschland gut, haben mit den verschiedensten Menschen in unterschiedlichen Lebensbereichen zu tun. Gibt es noch etwas, was Sie zum Staunen bringt?
D.: Immer wieder bin ich
erstaunt, wie hartnäckig sich Mongoleiklischees oder einmal gewonnene
Vorstellungen halten.
Frage ich meine Gesprächspartner, was Ihnen einfällt, wenn sie Mongolei hören,
kommen oft die gleichen Antworten: Blauer Himmel, Natur, Weite, Chinggis-Khaan,
Nomaden, Jurten...
Wie gesagt, die Mongolei ist ein sich rasant entwickelndes Land mit einer
funktionierenden Demokratie, einem modernen Kommunikationssystem. Es gibt keine
ernsthaften Religions- oder Nationalitätenkonflikte und die Bevölkerung ist
jung, wiss- und lernbegierig.
MO: In der Mongolei sind eine Reihe von Umweltschutzorganisationen entstanden, die die Befürchtung artikulieren, der Bergbau werde die Umwelt und die Lebensgrundlagen der Nomaden ernsthaft beschädigen?
D.: Es stimmt. Wir haben es lange vernachlässigt, Naturschutz und Bergbau im Komplex zu sehen. Die Regierungsvorgaben, die Diskussionen in der Staatsversammlung und mit der Öffentlichkeit, die zu entsprechenden Programmen und Dokumenten geführt haben, beweisen unser neues Herangehen. In keinem Investitionsvertrag dürfen Bestimmungen zum Umweltschutz und zur Rekultivierung fehlen. Wichtig selbstredend auch die Kontrolle, ob die nationalen und internationalen Bergbaugesellschaften die Gesetze und die Verträge einzuhalten gewillt sind.
MO: In der Mongolei soll ein landwirtschaftlicher Modellbetrieb mit deutscher Hilfe errichtet werden. Können Sie uns dazu Näheres erklären?
D.: Ein Ziel dieses
Projektes ist es, die mongolischen Bauern und Viehhalter mit der deutschen
Landwirtschaftstechnik, die eine der besten der Welt ist sowie mit dem deutschen
Genossenschaftssystem bekannt zu machen.
Die Viehwirtschaft ist nach wie vor eine tragende Säule unserer Wirtschaft.
Bioprodukte, das Zauberwort der Stunde, sind für Mongolen so selbstverständlich
wie Hammelrücken zum Tsagaan Sar. Was fehlt sind entsprechende Aufklärung,
Werbung für die heimatlichen Produkte bzw. für die Möglichkeiten der Herstellung
von Lebensmitteln hoher Qualität. Warum teure ausländische
Landwirtschaftsprodukte, Nahrungsmittel kaufen, wenn sie doch im Land selbst
produziert werden können und somit für den einheimischen Kunden wesentlich
preiswerter wären?
In Kürze werden die Vereinbarungen darüber geschlossen werden, wo und in welcher
Form der Modellbetrieb entstehen wird. Diese Demonstrationsfarm wird wesentlich
dazu beitragen, unsere Landwirtschaft zu reformieren und stetig zu entwickeln.
MO: Ein Höhepunkt im jungen Jahr war sicher die Internationale Tourismusbörse Berlin (ITB) vom 09. bis zum 13. März. Die Mongolei war zum ersten Mal Kongress- und Kulturpartner und damit an hervorragender Stelle platziert?
D.: Auf diese
Gelegenheit, die Mongolei richtig zu repräsentieren, ein wenig anders als
gewöhnlich zu repräsentieren, war schon seit langem mein Wunsch. Unsere
Regierung hat diese Idee von Anfang an tatkräftig unterstützt und auch die ITB
zeigte sich aufgeschlossen. Unser ursprünglicher Gedanke, zum Partnerland zu
werden, konnte so nicht realisiert werden. Polen stand als Partnerland schon
lange fest.
Der Erfolg gibt uns Recht. Wir hatten nicht nur die Aufmerksamkeit Deutschlands,
Europas, sondern der ganzen Welt.
Auch außerhalb der ITB nutzten wir und unsere deutschen Partner jede
Gelegenheit, die Mongolei ins Rampenlicht zu stellen: Beim Wirtschaftsforum mit
der IHK, bei Konzerten mit mongolischen Künstlern, bei der Eröffnung diverser
Kunstausstellungen, wobei wir eng mit dem Kulturdezernat Mitte und der Urania
GmbH zusammenarbeiteten. Vor allem gelang es uns, auch die moderne Mongolei ins
Blickfeld der Besucher zu rücken.
Unsere Kultur, unsere Geschichte erwiesen sich einmal mehr als Attraktionspunkt
für die Menschen in Europa. Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, meinen
Mitarbeitern in der Botschaft, die so hart gearbeitet haben, meinen herzlichen
Dank aussprechen.
In diesem Zusammenhang wäre es sehr, sehr wünschenswert, die Mongolistik als
Hochschulfach in Berlin wieder zu beleben. Dafür setze ich mich persönlich ein,
in Ulaanbaatar und in Berlin.
MO: Wie geht es Ihrer Familie? Ihre Frau und Ihre Kinder sind wie Sie eng mit Deutschland verbunden, welche Pläne haben sie?
D.: Meine Frau
arbeitet in Berlin bei einem mongolischen Unternehmen.
Unsere Tochter hat eines der begehrten Stipendien für die Columbia-Universität
in der Stadt New York zugesprochen bekommen – das erfüllt uns natürlich mit
großem Stolz, aber auch mit Traurigkeit, da sie ziemlich weit weg sein wird.
Unser Sohn hat nach seinem erfolgreichen Magisterstudium einen Job bei der
Bundesagentur für Arbeit angenommen, auch darüber freuen wir uns sehr.
Herr Botschafter, wir danken Ihnen für dieses Gespräch und wünschen für alle weiteren Vorhaben viel Erfolg.
Das Gespräch führte Renate Bormann am 23. März 2011 in der mongolischen Botschaft in Berlin.
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Last Update: 04. Januar 2024